Dürfen Unternehmen krankgeschriebene Mitarbeiter kontrollieren?

Laut Institut der deutschen Wirtschaft waren Arbeitnehmer hierzulande 2017 durchschnittlich 17,3 Tage krankgeschrieben und konnten deswegen nicht zur Arbeit kommen. Da der Arbeitgeber den Lohn für eine bestimmte Zeitspanne trotz krankheitsbedingt nicht erbrachter Arbeitsleistung fortzahlen muss, bedeutet jeder Krankheitstag natürlich einen finanziellen Schaden für das Unternehmen. Nun scheint der Arbeitsdrang bei manch einem Arbeitnehmer nicht so ausgeprägt zu sein, wie er sein sollte. Das „Blaumachen“ wird mitunter als Kavaliersdelikt angesehen. Wie also können Arbeitgeber datenschutzkonform zwischen berechtigter und unberechtigter Krankschreibung unterscheiden?

Welche Möglichkeiten haben Unternehmen im Rahmen des Datenschutzes?

Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, wenn sich der Verdacht der „Phantomkrankheit“ eines Mitarbeiters aufdrängt? Dies ist zum einen natürlich die Einschaltung des medizinischen Dienstes nach § 275 SGB V. Daneben versuchen jedoch auch viele Arbeitgeber, die Krankschreibung eines Mitarbeiters zu entkräften, indem sie Foto- oder Videoaufnahmen eines Mitarbeiters anfertigen, auf denen dieser äußerlich nicht den Eindruck einer Krankheit vermittelt.

Grundsätzlich richtet sich die Zulässigkeit derartiger Aufnahmen nach § 26 BDSG, wonach

  1. tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen müssen, dass der Mitarbeiter die Krankheit nur vorgibt;
  2. neben den Aufnahmen kein milderes Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zur Verfügung steht und
  3. das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung das Interesse des Arbeitnehmers auf Schutz seiner Persönlichkeitsrechte überwiegt.

Die genannten Punkte sollten stets vorsichtig ausgelegt werden, so dass im Zweifel von einer datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit auszugehen ist. Denn eine falsche Einschätzung geht immer zulasten des Arbeitgebers und kann unter Umständen auch Schadensersatzklagen zur Folge haben.

Datenschutz-Kriterien für die Zulässigkeit einer Kontrolle krankgeschriebener Mitarbeiter

Wann müssen Anhaltspunkte für das Vortäuschen der Krankheit vorliegen?

Grundsätzlich kommt einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein hoher Beweiswert zu. Der Arbeitgeber benötigt also einen triftigen Grund, warum er der Bescheinigung nicht glaubt und deswegen weitere Nachforschungen anstellt.

Dieser Grund für das Misstrauen muss bereits bei Beginn der Überwachung des Mitarbeiters vorliegen. Daher ist zu unterscheiden, ob der krankgeschriebene Mitarbeiter zufällig angetroffen wird oder ob er gezielt überwacht wird. Denn bei einer zufälligen Begegnung beginnt das Überwachen erst mit der äußerlichen „Analyse“ des Mitarbeiters auf Krankheitserscheinungen. Bei einem bewussten Nachstellen hingegen fängt die Überwachung schon mit Beginn des Nachstellens an. Dies soll freilich nicht bedeuten, dass bei einem zufälligen Antreffen des Mitarbeiters das Anfertigen von Aufnahmen schrankenlos möglich ist. Lediglich die erste der oben genannten Voraussetzungen ist so einfacher zu erreichen.

Sind Fotos von Mitarbeitern zum Beweis geeignet?

Grundsätzlich hat ein Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter zu respektieren, welches auch das Recht umfasst, nicht fotografiert oder aufgenommen zu werden. Jede Aufnahme des Mitarbeiters würde dieses Recht zunächst verletzen.

Es ist aber möglich, dass der Arbeitgeber dieses Recht des Mitarbeiters verletzen darf, und zwar dann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Verletzung geltend machen kann und das Interesse des Mitarbeiters am Unterlassen der Aufnahmen nicht höher zu gewichten ist. Dies kann der Fall sein, wenn eine Aufnahme zu beweisen vermag, dass der Mitarbeiter nicht unter der entsprechenden Krankheit leidet.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitgeber im Regelfall die genaue Diagnose nicht kennt. Sofern ein Mitarbeiter beispielsweise beim Einkaufen „erwischt“ wird, bedeutet dies noch lange nicht, dass er nicht krank ist. Zumal Arbeitnehmern grundsätzlich jedes Verhalten erlaubt ist, das die Genesung nicht gefährdet oder verzögert.

Nicht jede Krankheit verpflichtet also zur Hütung des eigenen Betts. Leidet ein Mitarbeiter beispielsweise an einem grippalen Infekt, darf dieser durchaus Besorgungen im Supermarkt machen, ohne seine Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber zu verletzen. Geht selbiger Mitarbeiter jedoch Bergsteigen, so ist er entweder nicht krank oder er verletzt seine Pflicht zur ungehinderten Genesung, was im Ergebnis wohl durch Fotos belegt werden darf.

Wann überwiegt das Interesse des Arbeitgebers?

Als Leitprinzip gilt, dass die verdeckte Aufnahme von Mitarbeitern immer nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollte. Sofern dem Ziel mit einer offenen Aufnahme gedient ist, ist zu diesem Mittel zu greifen (lesen Sie dazu unseren Ratgeber zur Videoüberwachung im Unternehmen).

Pauschale und allgemeingültige Aussagen zum überwiegenden Interesse des Arbeitgebers können an dieser Stelle kaum getroffen werden, da stets alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. Es gilt jedoch die Faustregel, dass je öffentlicher und für die Allgemeinheit sichtbarer sich ein Arbeitnehmer bewegt, desto geringer ist sein Schutz vor eventuellen Aufnahmen. Aufnahmen des Mitarbeiters in seiner Wohnung sind daher grundsätzlich unzulässig. Hält sich ein Mitarbeiter jedoch im öffentlichen Straßenraum oder an sonstigen öffentlichen Plätzen auf, können Aufnahmen unter Umständen rechtmäßig sein. Aber auch die Intimität des Augenblicks, in dem die Aufnahme entsteht, ist mit in die Gewichtung einzubeziehen. Zudem stellen Fotos einen geringeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, als länger andauernde Videoaufnahmen.

Fazit: Kontrolle bei Zweifeln am Krankheitsfall nur mit Rechtsbeistand

Anhand dieser vagen und auslegungsbedürftigen Kriterien ist also ersichtlich, wie wenig greifbar sich die Rechtslage in diesem Bereich darstellt. Vor der Durchführung der Kontrolle sollten Arbeitgeber stets einen Experten konsultieren und die Zulässigkeit fachmännisch und einzelfallbezogen prüfen lassen. Denn die Überwachung der eigenen Mitarbeiter ist ein heißes Eisen, an dem man sich schnell verbrennen kann.

Dieser aktualisierte Artikel wurde zuerst am 1. Juni 2015 veröffentlicht.

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