Zugriff des Arbeitgebers auf dienstliche E-Mails von Mitarbeitern bei deren Abwesenheit

Wenn Beschäftigte regulären Urlaub nehmen, sollte für die Zeit ihrer Abwesenheit eine Vertretungsregelung getroffen werden, so dass per E-Mail eingehende Kundenanfragen rechtzeitig beantwortet werden können. Wenn ein Mitarbeiter dem Unternehmen jedoch unvorhergesehen für eine längere Zeit fernbleiben muss, stellt sich durchaus die Frage, welche Nachrichten sich ggf. im E-Mail-Postfach des Mitarbeiters ansammeln, die für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs von Interesse sein könnten.

Selbstverständlich stellt es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers dar, dass eventuelle Kundenanfragen nicht unbeantwortet bleiben und wichtige Fristen eingehalten werden. Allein die Abwesenheit reicht jedoch nicht aus, auf das E-Mail-Konto des Beschäftigten zugreifen zu dürfen. Bei einem Zugriff sind immer zwingend auch die schutzwürdigen Interessen des Beschäftigten zu beachten. Die Anforderungen hieran hängen dabei vor allem mit den im Unternehmen getroffenen Regelungen zur Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Konto zusammen.

1. Fall: Das Postfach enthält ggfs. private E-Mails (erlaubte Privatnutzung)

Um die Zulässigkeit eines Zugriffs auf das dienstliche E-Mail-Konto eines Beschäftigten zu beurteilen, ist zunächst ausschlaggebend, ob die private Nutzung der geschäftlichen E-Mailadresse im Unternehmen erlaubt bzw. geduldet ist. Oft ist aufgrund einer fehlenden oder unzureichenden schriftlichen Fixierung die tatsächliche Handhabung im Unternehmen entscheidend. Unter Umständen kann es sich nämlich um eine betriebliche Übung handeln (siehe unser Ratgeber zur privaten E-Mailnutzung im Unternehmen).

Aus Sicht des Datenschutzes ist der Inhalt privater E-Mails auch im geschäftlichen E-Mailkonto geschützt. Da im Falle der erlaubten Privatnutzung mit privaten Inhalt gerechnet werden muss, stellt der Zugriff stets eine Verletzung der Privatsphäre des Beschäftigten dar. Unter Umständen besteht jedoch zum Zwecke der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses dennoch eine Notwendigkeit, geschäftliche E-Mails im Postfach des Mitarbeiters einzusehen. Als Rechtsgrundlage hierfür kommt  § 26 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in Betracht. Das schutzwürdige Interesse des Mitarbeiters geht nicht so weit, als dass es dem Arbeitgeber schlechthin verbietet, relevante geschäftliche E-Mails einzusehen (so auch LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2011, Az.: 4 Sa 2132/10).

Sobald jedoch eine E-Mail als privat erkannt wird, ist von einem Auslesen abzusehen. Da dies in der Praxis oftmals nicht möglich ist, setzt der Zugriff in diesem Fall eine Abwägung der jeweiligen Interessen voraus. Das Interesse des Arbeitgebers am reibungslosen Geschäftsbetrieb ist mit dem Individualinteresse des Arbeitnehmers, seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, gegeneinander abzuwägen. Sollte sich das Interesse des Arbeitgebers in der fristgerechten Erfüllung von Verträgen erschöpfen, geht die Abwägung in der Regel zu Lasten des Arbeitgebers aus.

Der Klarheit wegen, sollte stets auf schriftliche Regelungen zur E-Mail-Nutzung zurückgegriffen werden. Dies kann sowohl in einer Betriebsvereinbarung, als auch in einem anderen verbindlichen Regelungsdokument erfolgen.

2. Fall: Das Postfach enthält ausschließlich geschäftliche E-Mails (verbotene Privatnutzung)

Ist die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Kontos ausdrücklich verboten, ist der gesamte E-Mail-Verkehr als geschäftliche Korrespondenz einzustufen. Dies erleichtert einen Zugriff durch den Arbeitgeber, wobei dennoch einige datenschutzrechtliche Grundsätze zu beachten sind. Auch hier ist § 26 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) maßgeblich. Auch in diesem Fall ist ein Zugriff datenschutzrechtlich nur dann möglich, wenn er erforderlich ist. Die Erforderlichkeit im Rahmen der verbotenen Privatnutzung kann aufgrund der geringfügigeren Eingriffsintensität für den Beschäftigten gegenüber der erlaubten Privatnutzung leichter gerechtfertigt werden.

Voraussetzungen für den Zugriff auf dienstliche E-Mails durch den Arbeitgeber

In beiden Fällen ist in einem ersten Schritt die Erforderlichkeit zu prüfen. Gibt es überhaupt einen Grund zur Annahme, dass im Postfach des Bediensteten für den Geschäftsbetrieb relevante Nachrichten eingegangen sein könnten? Ist dies der Fall, scheidet ein Zugriff auch dann aus, wenn ein milderes Mittel zur Zweckerreichung besteht. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn der abwesende Mitarbeiter im Vorfeld ohne verhältnismäßig hohen Aufwand erreicht werden kann und die Informationen auf diesem Wege bereitgestellt werden können.

Kommt man zu dem Ergebnis, dass ein Zugriff erforderlich ist, muss dieser zudem verhältnismäßig sein. Es muss in Einklang mit den Grundsätzen des Datenschutzes sichergestellt werden, dass der Zugriff auf eine Art und Weise erfolgt, wodurch lediglich der vorgesehene Zweck erfüllt und der Zugriff nicht etwa für eine Leistungskontrolle genutzt wird. Verhältnismäßig ist immer nur ein auf den Einzelfall bezogener, zeitlich begrenzter und kontrollierter Zugriff.

Unabhängig ob es sich um eine erlaubte oder verbotene Privatnutzung handelt, sollten vor dem Hintergrund der Rechenschaftspflicht alle Umstände jeweils erschöpfend dokumentiert werden.

Empfehlungen für den tatsächlichen Zugriff auf Mitarbeiter-E-Mails

Ist der Zugriff unvermeidbar, empfiehlt sich folgendes Vorgehen beim Zugriff auf das Postfach eines Mitarbeiters während seiner Abwesenheit:

  • Der Zugriff auf das E-Mail-Konto eines Beschäftigten erfolgt nach dem Vier-Augen-Prinzip, z. B. im Beisein des betrieblichen Datenschutzbeauftragten, mit Abstimmung des externen Datenschutzbeauftragten oder soweit vorhanden auch des Betriebsrates.
  • In einem schriftlichen Protokoll ist festzuhalten, wann und mit welcher Erforderlichkeit der Zugriff erfolgte, welche Personen daran beteiligt waren und in welche Dateien Einsicht gewährt wurde.
  • Soweit eine Änderung des Passwortes notwendig war, ist das Passwort des Betroffenen nach erfolgtem Zugriff zurückzusetzen und diesem nach seiner Rückkehr – geschützt vor Einsicht durch Dritte – mitzuteilen.
  • Außerdem sollte geprüft werden, ob mit angemessenem Aufwand technische und organisatorische Maßnahmen umsetzbar sind, die geeignet sind, derartige Zugriffe auf ein Minimum zu beschränken. Beispielsweise wäre zu prüfen, inwieweit für zeitkritische Korrespondenz generische Postfächer (etwa: kunde-xyz@unternehmen.de) zweckmäßig sind, auf die mehrere Mitarbeiter Zugriff haben.

Dieser aktualisierte Artikel wurde zuerst am 7. März 2013 veröffentlicht.

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8 Kommentare

  1. Frank A. Profilbild
    Frank A.

    Eine Frage, wenn die Privatnutzung verboten ist. Im Artikel steht, daß der Zugriff auf das Postfach leichter ist, wenn es das Privatnutzungsverbot gibt. Eine Frage dazu, der Mitarbeiter schreibt den Betriebs-/Personalrat per Mail an, ich wähle hier gern folgendes Beispiel
    “Lieber Betriebsrat, ich habe ein großes Alkoholproblem, noch hat es keiner der Kollegen bemerkt, aber ich benötige dringend Hilfe”.
    Natürlich wird der Betriebsrat antworten, auch wenn es nur heißt “Wende Dich an eine Beratungsstelle”.
    Nichts desto trotz handelt es sich hier um keine private Kommunikation. Aus diesem Grund, kann der Arbeitgeber doch nie sicher gehen, was er zu lesen bekommt. Wäre ja schlimm, wenn er sowas erfahren würde. Ich kann mir darum nur schwer vorstellen, dass das zulässig ist. Wäre nicht sinnvoller, eine Regelung zu erlassen, dass Daten, die auch nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters zugänglich sein müssen an eine Funktionsadresse zu schicken sind?

    1. Michael Plankemann Profilbild
      Michael Plankemann

      Vielen Dank für diese interessante Rückfrage.
      Es wird immer Konstellationen geben, in denen auch dienstlich veranlasste Kommunikation nicht für alle Augen im Unternehmen bestimmt ist. Als korrigierender Faktor kommt auch hier der konkrete dienstliche Anlass und die Erforderlichkeit hinzu; auch im Vertretungsfall oder nach dem Ausscheiden, ist der Zugriff und die Einsicht auf notwendige Fälle beschränkt. Praktisch sind also mehrere Hürden zu beachten. 1. Ist die E-Mail nach Adressat und Empfänger (also auch hinsichtlich der Senderichtung!) und Betreff überhaupt relevant für den Sachverhalt um den es geht. Oder ist sie das offensichtlich nicht? 2. Ist das nach Öffnen der Mail immer noch so? Sobald feststeht, dass die Nachricht nicht relevant ist, darf nicht weiter gelesen werden.

      An eine Funktionsadresse könnte gedacht werden. Aber damit vervielfacht man diverse Probleme – und dass alle externen Stellen dann auch brav nur die abstrakte Adresse verwenden, ist praktisch mehr als fraglich. Insbesondere ist es aber für die Löschpflicht am Ende einer Zusammenarbeit nicht entscheidend, ob die betroffenen Nachrichten im persönlichen Postfach liegen; dadurch geht doch die persönliche E-Mailadresse und der Name des Kollegen nicht verloren. Auch aus einem Archiv oder Backup müssen personenbezogene Nachrichten gelöscht werden, wenn keine Rechtsgrundlage für die weitere Verarbeitung mehr besteht.
      Praktisch wäre ein Mittelweg, einen persönlichen Ordner für die dienstlich veranlasste Kommunikation, etwa mit Personalabteilung oder Betriebsrat, einzurichten, der grundsätzlich für den Vertreter tabu ist.
      Den Dienstherren aufgrund der schlichten Möglichkeit, dass auch sensible Mails in einem Postfach enthalten sein könnten, komplett auszuschließen, ist nicht geboten.

      Und ganz am Ende noch die Bemerkung: Das E-Mailpostfach ist kein Archiv und keine Ablage! Nachrichten, die aufbewahrt werden sollen, gehören an eine andere Stelle abgelegt und zeitnah aus dem eigenen Postfach gelöscht. So ist auch sichergestellt, dass sich die Suche bei Abwesenheit auch möglichst allein auf die Zeit der Abwesenheit beschränkt.

  2. Martin Profilbild
    Martin

    Guten Tag,

    darf nach dem Ausscheiden eines Mitarbeiters das persönliche Emailpostfach mit vollem Zugriff auf einen anderen übertragen werden?

    Vielen Dank.
    Beste Grüße
    Martin

    1. Martin Röleke Profilbild
      Martin Röleke

      Es kommt auf die rechtliche Ausgestaltung der Nutzung im Einzelfall an. Ein “persönliches Emailpostfach” sollte es nicht geben. Der Arbeitgeber stellt seinen Beschäftigten bestenfalls ein individuelles, geschäftliches Postfach zur Verfügung. Alle darin enthalten Inhalte sind geschäftlicher Natur. Daher gibt es auch nichts einzuwenden, wenn nach Ausscheiden entsprechende Konten eingesehen und ggfs. sich daraus ergebende Aufgaben verteilt werden.

      Bei einer erlaubten Privatnutzung auch des geschäftlichen Mailaccounts, können sich Einschränkungen diesbezüglich ergeben.

      Viele Grüße
      activeMind

  3. wenzel Profilbild
    wenzel

    Ich frage für einen Freund:

    Der Geschäftsführer hat den (personifizierten) geschäftlichen Email-account des Freundes während dessen Krankheit benutzt, um geschäftliche Emails zu versenden.
    Ist das erlaubt? Wie kann amn das untersagen?

    Vielen Dank!

    1. Martin Röleke Profilbild
      Martin Röleke

      Vielen Dank für Ihre Frage.

      Ob und unter welchen Umständen der Arbeitgeber auf den geschäftlichen E-Mail-Account der Mitarbeiter zugreifen darf, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Unter anderem, ob eine private Nutzung generell untersagt ist oder wie lange eine Person abwesend ist. Dies ist eine Frage des Einzelfalls.
      Ratsam ist es in einem solchen Fall stets den betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu konsultieren. Hierfür sollte im Unternehmen bestenfalls auch ein vertraulicher Kommunikationskanal eingerichtet sein.

      Viele Grüße
      activeMind

  4. Angelika Profilbild
    Angelika

    Ich rätsel schon ewig lange herum, ob dies erlaubt ist:
    Alle Mails die ich erhalte (ausschließlich dienstliche Mails) landen auch bei meinem Chef. D. H. wenn mir jemand eine Mail sendet, dann erhalte nicht nur ich diese Mail, sondern sie geht auch im Posteingang meines Chefs ein, obwohl dies nicht vom Versender so beabsichtigt ist.
    Ich hatte mir eine Arbeit (Tabellenerstellung) mit nach Hause genommen und die Datei dann an meine eigene E-Mail in der Firma gesendet. Die kannte mein Chef dann schon, bevor ich sie ihm vorgelegt habe. So habe ich das zufällig entdeckt, dass alle meine Mails ohne mein Wissen gelesen werden.

    Was kann ich tun? Kann ich selbst Einstellungen in Outlook vornehmen, die das verhindern?

    1. Martin Röleke Profilbild
      Martin Röleke

      Hallo Angelika,

      danke für Ihre Anfrage. Der Umgang mit betrieblichen Informationen hängt immer auch von im Unternehmen geltenden Regelungen ab. Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Zugriff Ihres Mail-Accounts stattfindet, sollten Sie im Beisein des betrieblichen Datenschutzbeauftragten klären. Hier besteht auch immer die Möglichkeit diesen vertraulich zu konsultieren. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir über diese Kommentarfunktion keine einzelfallbezogene, rechtliche Beratung anbieten.

      Viele Grüße
      Martin Röleke

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